Günther Oberhollenzer – “Der Satz ist im Bild”

einladung_kodritsch_brunnhofer_2016
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Ronald Kodritsch "Der Satz ist im Bild" - Eröffnungsrede, Brunnhofer Galerie Linz, 10. Mai 2016
Günther Oberhollenzer

„Am besten ist, man überrascht sich mit einer neuen Arbeit selbst“, hat Ronald Kodritsch mir einmal erzählt, und ich glaube, dieser Satz kann als Leitmotiv seines künstlerischen Schaffens gelten. Der Künstler ist immer auf der Suche, er möchte nicht ständig das Gleiche machen, sondern Neues ausprobieren, durchaus auch mit gängigen Sehgewohnheiten brechen, Stile und Techniken hinterfragen und neue Zusammenhänge herstellen. Er ist getrieben von Neugierde und Ungeduld, von der Lust am Malen und am künstlerischen Experiment jenseits der Konventionen.

Dabei ist Kodritsch ein Beobachter und Sammler von Alltäglichem, Banalem, manchmal auch Skurrilen, das er aufgreift und in ganz persönliche Bildgeschichten transformiert. Er kennt die Kunstgeschichte und ihre Traditionen und lotet gekonnt die Möglichkeiten der Malerei in der heutigen Zeit aus, indem er bewusst die Grenzen zwischen der sogenannten Hochkultur und der Populärkultur verschwimmen lässt. Der Künstler erschafft Bildwelten, die heiter und mit einem Augenzwickern gemalt sind, manchmal aber auch melancholisch und böse erscheinen. Alles ist für Kodritsch bildwürdig, alles ist für ihn und seine Kunst interessiert: Ein Traktor, der einer Kinderzeichnung entsprungen scheint, eine seltsame, hockende nackte Frau neben einem Pferd, ein Billa Sackerl, getragen von einem fluoreszierenden Skelett. Einfache Formen und „billige“ Materialen charakterisieren auch die Skulptur: Handschuhe, Styropor, eine Weinflasche oder ein Trichter. Popkulturelle Zitate mischen sich mit Kitsch und kunstgeschichtlichen Referenzen. Der Künstler malt sich „Selbst als Büste“ mit grünen Kopf und wurstartigen violetten Brüsten als Kopfbedeckung, er erfindet sonderbare Wesen, gespensterhaft unter weißen Tüchern verborgen, oder lässt im Mondlicht schemenhaft die zarten Umrisse einer Frau erscheinen. Skurril, surreal, rätselhaft.

Auch das titelgebende, kraftvoll gemalte Bild ist mehr als geheimnisvoll. Kodritsch schreibt in großen Lettern „DER SATZ IST IM BILD“ in die obere linke Hälfte der Malerei, bei der man nicht ganz weiß: ist sie nun abstrakt oder gibt es doch gegenständliche Anklänge? Die Schrift ist wie eine zweite Ebene auf malerischen Untergrund, wodurch das Bild natürlich eine ganz andere Aufladung, ein anderes Aussehen erhält. Kodritsch verwendet die Schrift als abstraktes Zeichen aber auch als Inhaltsträger. Es ist überhaupt ein charakteristisches Merkmal der Malerei, Störelemente wie Schrift oder sonderbare Figurationen in ein ursprüngliche abstraktes Bild einzubauen – oder, anders formuliert, sein Bilder zeichnet eine Vermischung von Formen und Zeichen aus, die sowohl abstrakt als auch gegenständlich, banal oder auch inhaltsreich interpretiert werden können. Dabei gibt es ein Figuren- und Motivrepertoire, auf das der Künstler immer wieder zurückgreift, hier etwa das Skelett, die Büste, die sonderbaren geisterhaften Körper und Gestalten. Banales wir bedeutsam gemacht, Bekanntes verfremdet, Liebliches oder Idyllisches gebrochen. Manche Bildelemente erinnern an die Comic- und Jugendkultur, etwa an Graffiti (ich denke z.B. an die Verwendung von Schrift und Sprechblasen) andere spielen hingegen ungeniert mit der Kunsttradition (so konterkarieren z.B. die gemalten Büsten deren althergebrachte Aufgabe der Huldigung und Repräsentation).

Das Werk ist dabei immer wieder auch autobiografisch, persönlich Erlebtes findet ebenso Eingang wie bitterböse Stellungnahmen zu unserer Gesellschaft (man denke nur an das Billa Sackerl). Fast wie kleine Gedichte und herrlich unernst sind auch die Titel, wie etwa „Im Schlafgemach des Lachses“. Vieles ist natürlich ironisch zu verstehen und hat auch einen feinen Humor, doch Kodritschs Kunst auf Witz und Ironie zu reduzieren wäre ein großer Fehler. Er sei kein Witzezeichner, sagte der Künstler einmal, „seltsam, eigenartig vielleicht auch verschroben würde eher das treffen“, was er mache. Vor allem aber ist Kodritsch auch ein überzeugter Maler. Ein Maler auch mit großem Können und Wissen um dieses Medium und seiner Möglichkeiten. Er malt intuitiv und spontan, pflegt einen bewusst unakademischen Zugang und hat keine Scheu, auch kindisch und naiv zu wirken.

„Für mich besteht die Aufgabe darin, dass ich ein triviales Thema – das man vielleicht gar nicht malen soll oder kann, weil es einfach lächerlich ist – in eine gute Malerei umsetze“, so der Künstler. Dieses Prinzip sei wesentlich schwerer, als wenn er sich an ein hehres Thema nehme und das dann versuche zu bearbeiten. Denn genau dieses Spiel interessiert ihn: eine Verknüpfung von nicht bedeutenden, kunsthistorisch uninteressanten Themen mit spannender außergewöhnlichen Malerei. Für Kodritsch birgt das menschliche Antlitz, das Alltagsobjekt, die gegenständliche oder abstrakte Form eine dankbare Oberfläche, anhand derer er ein variationsreiches Spiel an malerischen Optionen durchexerzieren kann: das reicht von Verzerrungen und Deformationen figurativer Elemente über eine expressive, unmittelbar abstrakte Geste bis zu ruhigen, fast monochromen malerischen Farbfeldern.

Vieles geschieht spontan auf der Leinwand, Vorskizzen gibt es keine.„Das meiste“, so Kodritsch, „entsteht aus der abstrakten Malerei, aus ihr entsteht eine Figur, ein gegenständliche Form.“, Gesichtern und Körper, die sich zu einer Erzählung verselbständigen. Wobei die Komposition, das Kolorit und der Farbauftrag ihre ganz eigenständigen Geschichten formen. Der Ausgang der Malerei ist meistens ungewiss.

Ich schätze bei Ronald Kodritsch diese unverblümte Freude an der Malerei und Skulptur (für die all das auch gilt), ich schätze das Sprühen an Ideen, das Vermischen von Abstraktem und Gegenständlichem, ich schätze das Spontane und doch Geplante, das Ironische und das Sinnliche, das Experimentieren mit Materialität und Form, ich schätze das Sich-treiben-lassen, die unakademische Bildsprache, ich schätze die leidenschaftliche Lust, stets Neues auszuprobieren.

 

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