Alexandra Grubeck – Auszug Interview mit Ronald Kodritsch

A: Warum Geister, lieber Ronald Kodritsch, warum malst Du Geister?

R: Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, wie es zu diesem Motiv kam. Es war plötzlich da, so wie das Meiste, das ich male. Um ein neues
Motiv oder überhaupt ein Motiv zu finden, befreie ich mich zuerst von der Figuration und nähere mich durch gegenstandslosen Farbaufbau an etwas heran, das ich noch gar nicht kenne. Ich will es auch noch gar nicht kennen. Bestenfalls verdichten sich die spontan aufgetragenen Farbschlieren zu einem konkreten Sujet.

A: Wie kann man sich das vorstellen?

R: Zuerst beginne ich abstrakt und irgendwann ist das Motiv dann gefunden, also es hat sich entwickelt, und je länger ich mich dann
mit ein und demselben Motiv beschäftige, um so mehr wird es dann wieder abstrakt, das Motiv löst sich auf, es verselbstständigt sich,
ich male und denke nicht mehr. Es geht dann um malerische Probleme auf der Leinwand und es ist ein ständiges Ringen, ein intuitiver Kampf, ich mache Fehler und viele gute Bilder sind aus Fehlern entstanden, aus dem Scheitern, weil ich etwas z.B. nicht umsetzen kann, es wird dann oft was völlig Anderes. Manchmal wird es auch gar nichts und der Weg zum Mistkübel ist vorgemalt.

A: Warum die Serie “Geist auf Couch”?

R: So ein Geist schläft ja nie, also finde ich es durchaus legitim, dass er sich mal ausruht, oder? Geister male ich ja schon lange in
verschiedenen Konstellationen und Variationen, also war es nicht die totale Überraschung, als da so ein Wesen plötzlich auf einer Couch Platz nahm. Wir waren aneinander interessiert, und spielten miteinander. Und dann geht es um minimale Verschiebungen, Vordergrund, Hintergrund und das Setzen, Liegen, Stellen dieser amorphen Figur auf ihre Basis, in dem Fall die Couch. Die Geister sind für mich reduzierte, fast menschliche Formen, die gewisse Tätigkeiten ausüben, zum Beispiel eben liegen. Aber, wie gesagt, ich hab mir das ja nicht ausgesucht.

A: Inwiefern?

R: Weil das Motiv sich selbst gemalt hat. Prinzipiell arbeite ich ja gerne in Serien und manche Sujets eignen sich dazu und andere
eben nicht. Die Serien bestehen aus Thema und Variation und diese Variationen werden abgehandelt und weitergetrieben und soweit gestaltet, bis es irgendwie passt…bis ich glaube, dass ich es verstanden habe.

A: Und was könnten die Betrachter:innen verstehen?

R: Wenn ich mir die Bilder jetzt anschaue, denke ich mir, dass Freud auf seiner eigenen Couch Platz genommen hat und Selbstanalyse betreibt, dem Bildbetrachter in die Augen schauend.

A: Wobei natürlich, für die Betrachter geben deine Bilder vor allem auch durch die Titel und gerade die seriellen Titel natürlich schon etwas vor. „Geist auf Couch“. „Bastards“, du hast immer sehr explizite Titel, die sich dann in irgendeiner Form wiederholen. “Bikinimädchen“, da läuft ja die Fantasie schon an, bevor man es eigentlich noch gesehen hat. Das ist für mich eine herausragende Qualität in deiner Arbeit. Auf den ersten Blick könnte man bisweilen einzelne Aspekte wie einen Scherz verstehen, oft muss man zumindest schmunzeln, oder es ist manchmal eine Gratwanderung, ein bisschen Alltagskomik, Situationskomik. Aber es ist natürlich viel komplexer, weil du sehr, sehr viel miteinander kombinierst: einerseits formal, aber auch, weil du das Formale mit dem Inhaltlichen so gut verschränkst, finde ich.

R: Also prinzipiell freue ich mich natürlich schon, wenn ich Themen finde, die in der Kunstgeschichte nicht so ganz vorherrschend sind.
Ob das Bikinimädchen sind oder Skispringer oder was auch immer. Das ist aber nicht meine Triebfeder, dass ich mir denke: mein Gott, ich muss jetzt was machen, was noch nicht so beackert wurde auf dem großen Feld der Malerei, aber es ist ein netter Nebeneffekt.

A: Aber bei den Geistern, die sind trotz allem, wenn ich mir jetzt so ein bisschen deine Arbeiten aus dieser Serie ansehe, die sind trotz
allem ein bisschen ruhiger, also weniger explizit ausformuliert als zum Beispiel die Bastards. Ist es, weil es um Geister geht, weil das
so etwas Immaterielles ist, zumindest in meiner Vorstellung?

R: Wahrscheinlich ja. Es hat mit einer formalen Reduktion zu tun, es ist mir wichtig, mit wenigen Versatzstücken etwas darzustellen.
Also, obwohl die Augen der Geister ja oft nur aus zwei Punkten bestehen, versuche ich sowas wie einen Ausdruck oder eine Stimmung ins Geistergesicht zu bringen.

A: Hat so ein Geist ein Geschlecht?

R: Teilweise, aber das haben sie sich dann umgebunden. Also sowas ist ja nicht natürlich gewachsen, das geht ja gar nicht, oder?
Der Geist ist prinzipiell geschlechtslos, wie man.

A: Wie man weiß.

R: Aber so sicher bin ich mir da auch wieder nicht.

A: Wollen Deine Geister generell ein Geschlecht haben?

R: Manche wollen und dann müssen sie sich erst bemühen, eines zu bekommen.

A: Wie wird man zum Geist?

R: Begonnen hat alles mit der Omama, die mir Geistergeschichten erzählt hat. Sie ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und musste
schon als Kind hart arbeiten. Die Bauern am Hof machten am Abend mehr oder weniger zum Spaß spiritistische Sitzungen, Fernseher gab es ja keinen, also saß man um den Tisch herum und gestellte Fragen wurden mit Klopfzeichen beantwortet, einmal für ja und zweimal für nein. Und dann hatte sich der Tisch bewegt und fing an zu gehen, bis in den ersten Stock des Hauses, oder es gab “verlorene Seelen”, die sich auf andere Arten bemerkbar machten, und und und.. Und meine Großmutter hat mir das, als ich ein kleiner Bub mit fünf, sechs Jahren war erzählt und der Schlusssatz war immer: „Und wenn das nicht wahr ist, dann falle ich jetzt tot um. “ Bei den Gespenster-Geschichten, die ich gelesen habe, war der letzte Satz so: seltsam, aber so steht es geschrieben.

Auszug aus einem Interview mit Alexandra Grubeck, 2023