Johanna Adam – “Der vierte Gärtner” (Deutsch)



Der vierte Gärtner

Der Versuch, ein Bild in Sprache zu fassen, scheitert in den meisten Fällen ebenso grandios wie das Bemühen, einen Traum nachzuerzählen. Im Traum verweigert die Zeit ihre Linearität, räumliche Dimensionen verschwimmen, Naturgesetze treten außer Kraft und Personen wechseln ihre Identität. Der Traum schert sich nicht um Logik, ebenso wenig wie sich die Malerei darum scheren muss. Und nicht nur in diesem Punkt berühren sich die beiden Sphären: Sowohl die Kunst als auch der Traum werden durch das Paradoxon bestimmt, einerseits fiktional, also „unwahr“, zu sein und gleichzeitig einer tieferen Wahrheit zur Erkenntnis zu verhelfen. Die Arbeiten von Ronald Kodritsch beziehen ihre Energie aus diesen beiden Antipoden von Fiktion und Wahrheit.

Ronald Kodritschs erste Ausstellung in der Galerie Martinetz versammelt unter dem Titel Der vierte Gärtner eine Auswahl an Bildern aus verschiedenen Serien des Künstlers. Bastards etwa, seine Serie skurriler Hundeportraits, die Bikinimädchen, die keiner Erwartungshaltung entsprechen, und nicht zuletzt die Fotoserie Maler und Modell, die ihn selbst in seinem fiktionalen Leben mit dem Model Kate Moss zeigt. Ergänzend zeigt die Ausstellung einige seiner Objekte, darunter die aus Bronze gegossenen Skulpturen überfahrener Katzen, und das Nähkissen Klaus, das als eine Art Voodoo-Puppe seines ehemaligen Galeristen gelesen werden kann. Erwartet man dem Ausstellungstitel gemäß aber eine Serie, die sich dem Gärtnern widmet, sucht man vergeblich. Der Titel lehnt sich an den Roman Der dritte Polizist an, einer absurd-komischen Geschichte, in der die Erzähl- und Zeitebenen fortwährend wechseln und die Naturgesetzte bis an die Grenzen des Erzählbaren infrage gestellt werden. Ronald Kodritsch, dessen Werk neben der Malerei nicht nur Foto und Video umfasst, sondern der selbst auch schon einen Roman geschrieben hat, testet die Grenzen des Erzähl- und Darstellbaren in seiner Kunst immer wieder aus. Dass die Malerei dabei sein primäres Medium bleibt, liegt sicherlich an jenem grundsätzlich grenzenlosen Potential, das ihr innewohnt: Auf der Bildfläche ist alles möglich, jenseits des sprachlich fassbaren.

Der 1970 in der Steiermark geborene Österreicher gab, von einer Zeitung nach seiner Empfehlung für Unternehmungen in seiner Heimatstadt gefragt, folgende Auskunft:“ Sollten Sie irgendwann in Leoben aussteigen müssen, spazieren Sie die Südbahnstraße entlang, über die Eisenbahnbrücke in die Münzenbergstraße 12. Dort wurden alle unsere Katzen überfahren und ich geboren.“ Lapidar bringt Kodritsch hier den Tod in seiner Alltäglichkeit ins Spiel und verknüpft ihn gleichzeitig mit dem Moment der Geburt, der Entstehung von Leben. Die Komik entsteht hier unwillkürlich durch die Gegensätze, die der Künstler gezielt aufeinander prallen lässt. Die überfahrenen Katzen aus seiner Kindheit gießt er in Bronze, macht sie somit unsterblich und in ihrer Unansehnlichkeit bildwürdig. Großformatiger Portraits würdig werden bei ihm außerdem Hunde. Im Stile repräsentativer Büstenbilder zeigt die Serie Bastards Hundeköpfe, die Charakterstudien gleichen. In der Betrachtung der Serie wird schnell deutlich, dass es sich hier nicht um eine Hommage an den Hund handelt, sondern um die Befragung unseres eigenen Blicks, den wir vornehmlich auf andere Menschen richten: Wie assoziieren wir bestimmte Attribute, welche Prägungen und Vorurteile beeinflussen unseren Blick auf Andere? Wirkung und Wirklichkeit stimmen hier selten miteinander überein.