Was kann nachdenklicher machen, als die Konfrontation mit Widersprüchen?
Ronald Kodritsch | Posted on |
Katalogtext zu “Bastards” von Dr. Ursula Mähner-Ehrig
Ronald Kodritsch ist es gelungen, mit seiner Serie „Bastards" einen Nerv zu treffen. Mit dem Mittel der Verfremdung lässt er in seinen Perückenhunden Gemachtes mit Gewachsenem zusammentreffen, Künstlichkeit mit Natur, Unechtes mit Echtem: Die Kunstfrisur des Menschen und das gewachsene Fell des Tieres.
Das Ergebnis entbehrt nicht einer gewissen Komik. Das Komische darin dient sozusagen der Verführung des Betrachters zum Lustgewinn. Aber nicht nur das; wir sind überrascht, welche Flut von Assoziationen sich aufdrängen: Natur und Künstlichkeit, das Tier – Mensch – Verhältnis, Missbrauch des gezähmten Tieres, Hund, als Vehikel zur Gewinnung narzisstischer Zufuhr, als Verlängerung oder Ergänzung des eigenen Selbst, aber auch eine Art Mimikry des Hundes, dessen Portrait beim Betrachter die Assoziation von „Charakterköpfen" auslöst. Hier geschieht eine Veränderung des Innen durch das Außen.
Zur „Perücke" lassen sich assoziieren: die modische Zweitfrisur der siebziger Jahre, Perücke als Teil der Insignien eines bestimmten Berufes, z.B. der „wig" der englischen Richter, die Perücke als Standessymbol im Barock und Rokoko, ohne die man sich in der städtischen und höfischen Öffentlichkeit nicht sehen lassen konnte, da Natur nicht gesellschaftsfähig war, als unfein und unkultiviert galt.
Was an den Portraits von Ronald Kodritschs „Bastards" über das intellektuelle Erfassen hinaus beeindruckt, ist deren Blick. Er ist auf den Betrachter gerichtet. Manche blicken traurig, manche scheinen den Betrachter zu fixieren, mit engen Pupillen, manche blicken hilflos unter dem befremdlichen Etwas auf ihren Kopf. Auch ein pfiffiger Seitenblick fehlt nicht. Es gibt aber auch die ganz von sich Überzeugten, bei denen die Haartracht schon keine Perücke mehr zu sein scheint, sondern Frisur des eigenen gewachsenen Haares. Dann gibt es leere Augen, also gar keinen Blick, „Null-Blick" sozusagen, bei dem Halloween- „Bastard", dessen Augen so hohl sind wie die eines Halloween-Kürbisses; dennoch ist es aus dem Alltag gegriffen: Das Wesen trägt eine Einkaufstasche mit einem Halloween – Logo: Die Werbung erschließt sich eben alle Bereiche.
Aber dann wird man nachdenklich: denn manchmal glaubt man auch, in Ronalds große braune Augen zu blicken. Es ist, als sähe er mit diesem Blick den Dingen auf den Grund: Die Entfremdung des Menschen von der Natur, ja von seiner Natur, Manipulation von Natur, die bei diesen Hunden ermöglicht wird durch deren soziale Prägung, die sie dem Menschen als ihren Herren untertan macht. Dem so manipulierten Tier kommt seine Würde abhanden. Doch hie und da kommt die Hundenatur durch, so wie die spitzen Ohren sich durch die Perücke aufstellen.
Als Künstler nimmt sich Ronald Kodritsch die Freiheit, – und als solchem billigt ihm die Gesellschaft dies zu - ohne Worte mit dem Mittel der Verfremdung Komik und Lachen erzeugend, den Betrachter zu verführen, sich auch auf die ernsten Seiten der hinter seinen Bildern stehenden Aussage einzulassen. Es gelingt ihm dies, weil wir bereit sind, ihm gerne zu folgen, denn schließlich sind Witz, Komik und Humor Aufwandsersparnisse in der psychischen Ökonomie, die uns auf einer Abkürzung jenes mühsam erlernten Weges mit psychischer Arbeit direkt zurückführen in „die Stimmung einer Lebenszeit, in welcher wir unsere psychische Arbeit überhaupt mit geringem Aufwand zu bestreiten pflegten, die Stimmung unserer Kindheit, in der wir das Komische nicht kannten, des Witzes nicht fähig waren und den Humor nicht brauchten, um uns im Leben glücklich zu fühlen." (S. Freud, 1905). Max Reinhard hat es ähnlich formuliert, dass der Künstler - er bezog es auf den Schauspieler - Einer sei, der ein Stück Kindheit in die Tasche gesteckt und sich heimlich damit davon gemacht habe. Widersprüche mit Humor gezeigt sind aushaltbarer als tierischer belehrender Ernst.
Anm.: Sigmund Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, in: GW Band VI, S. 269
Dresden, den 11.02. 2008-02-11
Dr. Ursula Mähner-Ehrig, Psychoanalytikerin, Wien
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